Der nächste „Dampftag“ steht vor der Tür. Am 2. August (und dann wieder am 27. September) ist es so weit – Familien und Bahnnostalgiker pilgern ins Eisenbahnmuseum ins niederösterreichische Strasshof, um den Führerstand einer alten Dampflokomotive zu erklimmen. Eine Gelegenheit, die es immerhin nur ein paar Mal im Jahr gibt. Denn anders als bei den sonntäglichen Diesellokfahrten wird der Kessel einer Dampflok heute nur mehr selten angeheizt. Wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass eine mit Kohle und Wasser betriebene Lok bis zu zehn Stunden braucht um Betriebstemperatur zu erreichen. Für das richtige Know-how sorgen die rund 500 Mitglieder des Vereins „1.öSEK (Erster österreichischer Straßenbahn- und Eisenbahnklub)“. Bis zu 40.000 Arbeitsstunden jährlich investieren die Mitglieder unentgeltlich in ihr Museum. Es gilt die alten Loks in Stand zu halten, Wagons zu restaurieren und die Besucher und Besucherinnen durch das Heizhaus zu führen – das Herz des achteinhalb Hektar großen Geländes.
Liebevoll restauriert
Noch heute werden hier die Lokomotiven angeheizt bevor sie auf die Strecke dürfen. Und auf die Strecke müssen sie zumindest einmal im Jahr – denn wie heißt es so schön: „wer rastet, der rostet.“ Originale Rauchabzüge sorgen dafür, dass der Rauch abziehen kann. Im Gegensatz zu heute hat früher hier allerdings – unter den gestrengen Augen eines Oberheizers – ständig eine Lok vor sich hingedampft. Rund drei Wochen waren die schweren Zugmaschinen in Betrieb, bevor sie zur Wartung gekommen sind. Ein Grund dafür war, neben den langen Anheizzeiten, auch die Schonung des Materials. Unter Wärme dehnt sich der Kessel aus, unter Kälte zieht er sich zusammen. Ein Prinzip, bei dem sich auch Laien vorstellen können, dass das nicht gerade Material förderlich ist. Doch auch die Witterung setzt den Maschinen zu. Während viele von den sich in der Obhut des Museums befindlichen Züge den Launen der Natur ausgesetzt sind, sind die wertvollsten von ihnen im Heizhaus halbwegs vor Umwelteinflüssen sicher. Das war jedoch nicht immer so. Die auf den Zügen angebrachten Bilder zeigen oftmals den Zustand, in dem die unterschiedlichen Wagons und Loks ins Museum gekommen sind. Rund drei Jahre haben die Vereinsmitglieder beispielsweise einen alten Truppentransportwagen aus dem ersten Weltkrieg renoviert. Bis zu zwölf Stück davon seien damals der Front hinterhergefahren. An Bord wurden zum Teil sogar Operationen durchgeführt“.
Hoch hinaus und ab in die Halle
Ein weiteres Prachtstück des Museums ist die so genannte 310er, das „Rennpferd der Monarchie“. Mit 120 Stundenkilometern eine der schnellsten ihrer Zeit. Allerdings verfügte die Lok aufgrund ihres großen Raddurchmessers über eine weniger starke Zugkraft, weshalb man beispielsweise bei der Strecke über Rekawinkel bereits einen Vorspann benötigte. Für große Steigungen wurden Zahnradbahnen eingesetzt. Ein Exemplar vom Erzberg befindet sich im Heizhaus. Oft wurde auch eine Lok am Zugende eingespannt, um die großen Höhenunterschiede zu bewältigen. Nicht selten eine Belastung für den hinteren Lokführer. Denn der aufsteigende Dampf sammelte sich im Scheitelpunkt des Tunnels und machte eine Durchfahrt im Führerhaus nur unter größter Belastung möglich. Man hat sich nasse Tücher vor das Gesicht gehalten und im Notfall auch auf den Boden gelegt. Im Winter wurde man zudem vorne gegrillt und hinten gekühlt. Tatsächlich benötigt es nur wenig um sich vorstellen zu können, dass die Arbeit eines Heizers eine anstrengende war. Rund drei Tonnen musste der Mann während einer Bergfahrt in den Rost schieben.
Als offizielles Ende des Dampfbetriebes in Österreich gilt das Jahr 1976. Einige Jahre wurde das Heizhaus in Strasshof als Abstellgelände für alte Loks verwendet, bevor diese zur Verschrottung kamen. Rund zweihundert Loks sollen sich hier getummelt haben. Seit 1984 ist das Gelände nun für Besucher zugänglich. Neben Lokfahrten und geführten Rundgängen kann auch eine Fahrt mit der Gartenbahn unternommen oder den Meistern des Modellbaus – in einem eigenen Bereich des Museums – bei der Arbeit über die Schulter gesehen werden. Doch auch das bloße Herumstreifen auf dem weitläufigen Areal macht Spaß. Während man draußen über Wiesenbüscheln springt und in verlassene Wagons klettern kann, lässt sich im Inneren des Heizhauses so mancher Führerstand erklimmen, Nicht selten tritt man dabei mit seinen ohnehin schon schmutzigen Füßen in die eine oder andere Wasserlacke. Aber wie heißt es unter Eisenbahnern doch so schön: Eine Dampflok, die nicht rinnt und tropft, ist nicht gesund. Gleiches könnte für die Füße der Museumsbesucherinnen und -besucher gelten, denn wer nicht zumindest am Ende des Tages irgendwo Dreck angesammelt hat, der war nicht wirklich im Eisenbahnmuseum Strasshof unterwegs.
Das Heizhaus. Eisenbahnmuseum Strasshof
Sillerstraße 123
A-2231 Strasshof an der Nordbahn
Öffnungszeiten: Mai bis Oktober
Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen: 10.00 – 16.00 Uhr
An normalen Öffnungstagen kann das Museum und das Freigelände besichtigen werden sowie die Spiel-Modellbahn für Kinder.
An Sonn- und Feiertagen erwartet die Besucher eine Fahrt mit der Gartenbahn, Museumsführungen sowie Führerstandsmitfahrten auf Dieselloks u.v.m.
Die nächste Gelegenheit mit der Dampflok mitzufahren gibt es wieder am 2. August sowie am 27. September 2020 beim Dampffest.
Tel: +43 2287 / 3027-11
www.eisenbahnmuseum-heizhaus.com
Anreise:
mit dem Auto von Wien über die B8 (Wagramer Straße) Richtung Gänserndorf bis nach Strasshof.
mit der Schnellbahn Linie S1 Richtung Gänserndorf bei Haltestelle Silberwald aussteigen, dann etwa 5 Minuten Fußweg. Fahrplan unter: http://fahrplan.oebb.at/bin/query.exe/dn
mit dem Fahrrad EUROVELO 9 bis Wolkersdorf, Radweg 956 und 5.
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